· 

Spiegelerfahrung

Man sagt ja, dass Tiere den Menschen, mit dem sie Zeit verbringen, spiegeln. Insbesondere Pferde sind Meister darin. Ein solches Erlebnis ist auch mir heute widerfahren.

 

Es gibt da diesen jungen Araber in meinem Leben, noch nicht so lange, aber offenbar lange genug. Dass ausgerechnet er und ich uns treffen, war kein Zufall, das war mir ziemlich schnell klar. Jetzt liege ich gerade so in meinem Bett, wälze mich hin und her und frage mich, was es auf sich hat mit ihm und seinem Verhalten.


Der Kleine hat nahezu vor ALLEM Angst. Okay, denke ich mir, ertappt, ja, so bin ich wohl auch ein bisschen, voller Ängste. Heute habe ich ihm zum ersten Mal eine einzelne blaue Stange gezeigt. Er sollte über diese Stange gehen, was für ihn eine fast unlösbare Aufgabe schien. Ich habe ihn an die Hand genommen, ihm gesagt, dass ich an ihn glaube und ihm liebevoll aber auch bestimmt gesagt, dass sein einziger Ausweg aus der Situation und seine einzige Möglichkeit wieder bei mir auf der anderen Seite der Stange zu sein darin besteht, all seinen Mut zusammenzunehmen und seine Angst zu überwinden. Ein riesen Geschenk, dass er auch genau das getan hat, er hat das unüberwindbar Hindernis, eine Stange am Boden, bezwungen. Doch danach hat er getobt, war aufgedreht, ist gestiegen, er war regelrecht außer sich und wütend. Ich dachte er müsste doch stolz auf sich sein, sich freuen dass er es geschafft hat sich seiner Angst zu stellen. Er hat ja gemerkt, dass es überhaupt nicht schlimm war. Das hat mich wahnsinnig irritiert. Erstmal hab ich über ihn gelacht, das "danach" einfach ignoriert, ihn wie ein Fels in der Brandung wieder zur Entspannung gebracht und das Training beendet.

 

Und gerade jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen:
 Punkt 1: Was bilde ich mir ein, ihn dazu zu überreden seine Angst zu bezwingen, wo ich doch so hartnäckig an meiner eigenen festhalte (unfreiwillig)?
Und Punkt 2: Wenn einmal der sehr selten vorkommende Fall eintritt, dass ich eine Angst überwinde, was mache ich dann? Freue ich mich, bin ich stolz, wie mutig ich war? Nein! Ich ärgere mich stattdessen über mich selbst, warum ich nicht schon viel früher diesen Schritt getan habe, weil es ja so schlimm gar nicht war. Ich bin wütend mit mir, weil ich mir immer selbst im Weg stehe. Wie verrückt, das grenzt ja an Wahnsinn!

 

Wie der kleine Braune, auf den sich bisher scheinbar noch kein Mensch so richtig tief einlassen konnte. Vielleicht weil er so gnadenlos spiegelt.

 

Momentan bin ich absolut verblüfft und gleichzeitig sehr dankbar darüber was ich von diesem Pferd lernen darf. Und mutig, hier mein Innerstes zu teilen. Und stolz darauf, es genau jetzt zu tun. Vielleicht inspiriert es auch andere, genauer hinzuschauen und das Verhalten des eigenen Pferdes weniger zu bewerten und dafür mehr zu hinterfragen und was für sich selbst mitzunehmen.


Das könnte dich auch interessieren:

Leben annehmen wie es kommt

Kommentare: 1
  • #1

    Tina (Montag, 12 Februar 2018 20:22)

    Tiefer Treffer......
    Du schreibst sehr gut
    Ich habe gesehen was sich zwischen dir und Sharoom abspielt
    Ihr werdet Euch gegenseitig heilen