Ich nehme an, unser aller Ziel ist eine gute, solide und auch freudige Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Das wünschen wir uns tief in unseren
Herzen. Doch wie kann diese Beziehung aussehen? Und wie kommt sie überhaupt zustande?
Eine Beziehung mit meinem Pferd heißt für mich nicht "Alles ist schön!", "Friede, Freude, Eierkuchen", "Hier noch ein Keks", rosa Wolken, Schmetterlinge, Rosenhimmel, ... Du verstehst sicherlich, was ich meine ☺ Eine gute und solide Beziehung zwischen Mensch und Pferd basiert auf Vertrauen. Bedingungslos und beidseitig. Dieses Vertrauen kann meiner Ansicht nach nur entstehen, wenn Einer - im Idealfall der Mensch - führt, und der Andere - sprich das Pferd - sich vertrauensvoll dieser Führung anschließt, sich freudig hingibt, freiwillig. Weil es weiß: "Mein Mensch, mein Partner, mein "Führmensch"*, auf den kann ich mich zu 100% verlassen, der ist immer für mich da, er sieht mich und meine Bedürfnisse, geht nicht über mich hinweg, trifft gut Entscheidungen für mich." Aber dieser Mensch muss auch ganz klar in seiner Sprache sein, in seiner Ansage und in seiner Konsequenz. Ein Mensch der total einschätzbar ist fürs Pferd, vorhersehbar in seinen (Re-)Aktionen, dem schließt sich das Pferd gerne an. Dem gibt es gerne ein Stück Verantwortung für sein Leben ab. Denn das ist es, was das Pferd aus seiner sicht tut: es vertraut uns ein Stück seines Lebens an.

Damit sollten wir verantwortungsbewusst und vertrauens-voll umgehen. Gute Führung
heißt nicht "Ich Chef, du nix!" oder "Wir machen es jetzt auf meine Art, du kannst sehen wo du bleibst!". Ein guter Chef, der spürt: "Wie geht es meinem Gegenüber? Was kann ich von ihm fordern
ohne zu überfordern, und ohne dass sich das Gegenüber langweilt? Was kann ich erwarten? Wie ist mein Schützling heute drauf? Wie muss ich es ihm sagen / vermitteln, damit ich bekomme, was ich
möchte?" - Wünschen wir uns nicht alle so einen Chef? Dennoch: ein guter Chef muss auch klar sein, er hat eine Art natürliche Autorität. Ihm wird zugehört. Und es ist klar, dass
es Konsquenzen gibt, wenn ich ihn missachte. Ein guter "Führmensch" weiß, dass er mit Angst, Macht, und der viel zitierten Dominanz NICHTS erreicht. Sondern mit innerer
Stärke. Und: mit Lob und Bestätigung für den anderen, mit ehrlicher Anerkennung, die aus dem Herzen kommt.
Danach streben und sehnen wir uns alle. Menschen sowieso, und ich glaube auch alle anderen Lebewesen und Seelen hier auf dieser Erde. Wir wollen zugehörig sein (Pferde besonders, sie wollen der Herde zugehörig sein, weil sie nur so eine reelle Überlebenschance haben). Und wir wollen An-erkennung, angenommen sein, gesehen werden, so wie wir sind, nicht übergangen werden, gesehen werden in unseren Bedürfnissen, in unserer Essenz.
Um meinem Pferd dies als guter "Führmensch" zu bieten, muss ich gar nicht unbedingt eine besondere Technik (des Trainings, der Körpersprache, etc.) entwickeln. Ich muss mich als Mensch nicht über die Maße anstrengen, besonders große deutliche Bewegungen machen oder gar verkrampfen, nein! Pferde sind darauf angewiesen kleinste Bewegungen wahrzunehmen und ohne direkten Blickkontakt auch nonverbal zu kommunizieren - nur über Energie. Ich muss mein Pferd nicht permanent körpersprachlich anschreien, wie das leider immer noch sehr häufig praktiziert wird (damit meine ich z.B. übertrieben große deutliche Bewegungen zu machen, um das Pferd dazu zu bringen etwas zu tun). Viel wichtiger ist, was IN mir ist und was ich ausstrahle. Die Körpersprache folgt der Ausstrahlung. Gegebenenfalls funktoniert das auch eine Weile oder zu Beginn des Trainings andersherum - durch entsprechende Bewegungen festigt sich mein Innerstes. Ziel ist aber die Führung durch innere Stärke, ohne große Bewegung, auf kleinste Signale hin, die manchmal auch nur in meinem Körper ablaufen können, ohne dass die Außenwelt etwas davon mitbekommt... Wenn ich diese innere Stärke, die ich immer wohlwollend einsetze, ausstrahle, schließt sich mein Pferd freudig an und legt mir einen Teil seines Leben gerne in die Hand.
Ganz schön viel Arbeit hat so ein guter "Führmensch", damit diese schöne Beziehung entstehen kann, nach der wir uns alle sehnen! Daher geben die Pferde diese Aufgabe, diese Führung, gerne ab - wenn sie dazu in der Lage sind, weil sie sich dem Menschen hingeben und fallen lassen können, in völligem Vertrauen darauf, dass ihr "Führmensch" sein Bestes für das Leben beider gibt.
* Ich benutze das Wort "Führmensch", weil das Wort "Führer" besonders bei uns in Deutschland sehr negative Assoziationen hervorruft. Führung an sich ist jedoch nichts, was grundsätzlich verdammt gehört - auch dazu wird es zu einem späteren Zeitpunkt noch einen gesonderten Blogartikel geben.
Ausführlich und auf wundervolle Art und Weise beleuchtet Petra Haubner von der Pferdeflüsterei das Thema Dominanz versus Führungskompetenz* in einem Blogbeitrag, den ich dir an dieser Stelle gerne empfehlen möchte.
*Mit einem Klick auf diesen Link gelangst du direkt zum Blog der Pferdeflüsterei. Bitte beachte die Hinweise zum Datenschutz.
Barbara (Sonntag, 23 September 2018 12:00)
Mich rührt diese Geschichte sehr!
Auch wenn ich selbst nichts mit Pferden zu tun habe, bewegt mich das Thema sehr.
Denn meine Tochter ist ein richtiger Pferdemensch. Und manchmal denke ich, so richtig zur Ruhe kommt sie nur veim Reiten. Hier erlebt sie sich stressfrei, kann ein Pferd führen, erlebt wie soziales Miteinander funktioniert.
Sonst hat sie damit oft Schwierigkeiten, denn nur zu gerne übernimmt sie die Rolle des Bestimmers, und das kommt meist nicht gut an. Mit Pferden macht sie es intuitiv richtig und lernt dabei wie es geht.
Herzlichen Dank für deine Impulse ❤️