Vor kurzem habe ich mich wieder mal selbst erwischt. Naja, eigentlich hat mich meine Stallfreundin Saskia erwischt: "Du machst dein Pferd problematischer als er ist." Zack! Das saß. Und mir war gleich klar: sie hat recht, da ist was dran.
Bestandsaufnahme und Selbstanalyse
Ohne Frage war Sharoom wirklich nicht einfach. Als ich ihn kennenlernte, konnte er Menschen nicht ausstehen. Zumindest war das seine Taktik, damit diese ja nichts von ihm verlangten. Steigen, zwicken und treten inklusive. Mittlerweile ist er aber ein echter Schmusehase geworden, er liebt es mitten unter Menschen zu sein, jedenfalls solange es die Richtigen sind...
Nichtsdestotrotz ist Sharoom nach wie vor ein Sensibelchen. Und das meine ich nicht mal so abwertend, wie sich dieses Wort für viele liest. Im Gegenteil, ich liebe seine Sensitivität, seine feinen Sinne, die Art und Weise, wie empfindsam er ist. Und trotzdem ist auch genau das häufig unsere größte Herausforderung im Zusammensein - denn er ist schnell verunsichert, nervös und geängstigt. Diese Eigenschaften sind auch meines Arabers größte Challenge auf dieser oft so gar nicht für (Hoch-)Sensible ausgerichteten Welt. Neues ist ihm ein Graus. In all diesen Eigenheiten kann ich ihn SO gut verstehen und fühlen - mit jeder Faser meines Körpers. Denn, um es mal auf den Punkt zu bringen: ich war genau gleich.
Wie die über-fürsorgliche Pferdefrau tickt
Ebenso wie ich mich selbst weiterentwickelt habe und mich immer noch weiter entwickle, hat das auch Sharoom getan und tut es immer noch. Er kann mittlerweile viele Dinge und Situationen viel besser händeln. Darauf musste mich Saskia erst einmal bringen. Natürlich war mir das schon vorher klar. Doch in mir hatte sich unbemerkt ein "Reflex" gebildet, den ich das Phänomen der über-fürsorglichen Pferdefrau genannt habe: ich wollte mein kleines, hoch-empfindsames Pferdebaby um jeden Preis vor all dem Unheil in dieser Welt schützen. Klingt dramatisch, ist auch so. Und dabei habe ich ein bisschen aus den Augen verloren, dass da kein verlorenes, überfordertes Pferdebaby mehr vor mir steht, sondern ein ausgewachsener Jungspund, der genau weiß, was er will. Und am liebsten will er sich eben um "Unangenehmes", das ihn aus seiner Komfortzone drängelt, drücken. Sehr verständlich, wie ich finde. ☺
Ich bin gewiss kein Mensch der sein Pferd in Watte packt und bloß verhätschelt. Dass Sharoom diesen Winter eine Decke gebraucht hätte, habe ich so lange ignoriert,
bis er völlig abgemagert vor mir stand. Ich wollte kein Deckenpferd! Pferde können gefälligst ohne Decke überleben! Decken sind gegen jede Natur. Das war meine
Überzeugung.
Am Ende habe ich ihn dann doch noch eingedeckt, wahrscheinlich viel zu spät, aber immerhin in einer Phase, in der sehr viel Regen auf sehr viel Wind traf. Sharoom war unendlich dankbar über seine, in meinen Augen "blöde, unnötige Decke"... Er wird keinen bleibenden Schaden davon tragen und er hat es überlebt. Sobald das Gras sprießt wird auch er wieder runder werden und aufbauen. Ich möchte nur aufzeigen, dass ich es eeeigentlich mit der Fürsorge wirklich nicht übertreibe. Trotzdem: ich spüre viel in mein Pferd rein. Ich hinterfrage sein Verhalten und versuche stets zu deuten, ob es ihm gut geht oder ob er etwas braucht.

Erkennst du dich darin wieder?
Bei mir ist das ja quasi Berufskrankheit. Doch schleichend hat sich da in mir dieses Phänomen entwickelt, dass ich versuche, jegliche Beschwerlichkeit von meinem Pferd abzuhalten. Was natürlich völliger Blödsinn ist und was ich auch keinem meiner Kunden je raten würde. Besonders, wenn dieses "Unheil" wie bei Sharoom unter Umständen schon bei einer kleinen Plastiktüte oder einem im Wald auffliegenden Vogel anfängt. Natürlich übe ich solche Dinge, die ihm nicht geheuer sind in einem geschützten Raum, geplant, kontrolliert. Das würde ich auch jedem anderen raten (und bei Bedarf gerne mit einer Begleitung beistehen).
Jetzt kam aber dazu, dass ich "größere" und ungeplante Dinge unbewusst verkompliziert habe. Ja, ICH. Nicht mein Pferd. Als wir zum Beispiel einen neuen Stall suchen mussten und verschiedene Höfe angeschaut haben. Ich habe immer etwas gefunden, warum es nicht gehen würde: "Da ist zu viel Unruhe auf dem Hof", "Das sind ihm zu viele Menschen", "Er kann noch nicht durch so enge Türen gehen", "Die Stallgasse ist viel zu schmal und zu rutschig",... - Und dann sagte Saskia plötzlich: "Du machst dein Pferd problematischer als er ist."
Ein einziges Mal habe ich geschluckt, dann war mir gleich klar: Das stimmt! Sharoom würde mit allem zurechtkommen, denn er ist ein Pferd. Er ist dazu geboren, sich an seinen Lebensraum und an das Hier und Jetzt anzupassen.
Erkenntnis zur Stallsuche
Meine nächste Erkenntnis war: ICH bin das viel größere Problem in unserer Zweierbeziehung. Auch bei der Stallsuche. Denn ICH will keine Unruhe auf dem Hof, ICH kann viele Menschen schlecht ertragen, ICH brauche Platz und Offenheit und finde Enge unerträglich.
Siehst du Parallelen zu dir selbst?
Diese Erkenntnis tat auch gar nicht weh, im Gegenteil. Erstens ist es okay, dass ich so bin und empfinde. Und zweitens tut es gut zu wissen, dass ICH das Problem bin, nicht mein Pferd. Denn an mir kann ich in jeder Sekunde arbeiten, wenn mir etwas nicht gefällt. ☺ Und ich kann jeden Tag neue Entscheidungen treffen, die etwas daran ändern - wenn ich möchte. Die Tatsache, dass sich mein Pferd mir anpassen wird und dass es klar kommt, solange ich klar komme, ist wirklich eine Erleichterung!
Weitere Eigenschaften der über-fürsorglichen Pferdefrau
Im Zuge dieser Überlegungen habe ich weitere Eigenschaften der über-fürsorglichen Pferdefrau entdeckt:
- Sie liebt ihr Pferd sehr und will um jeden Preis alles richtig machen. Dafür wälzt sie sich schlaflos durch die Nächte, wann immer eine Entscheidung ansteht. Sie bereitet diese Entscheidung akribisch vor, informiert sich auf allen möglichen und unmöglichen Wegen, und überlässt am Ende dann doch, wenn irgendwie möglich, gerne anderen die endgültige Entscheidung.
- Insofern kommt es ihr mehr oder weniger entgegen, dass in der Pferdewelt viele Menschen oftmals ungefragt ihre Meinung zum Besten geben und DEN ultimativen Tipp parat haben. Leider leidet die über-fürsorglichen Pferdefrau trotzdem: an der Flut der ungefragten Meinungen mit der sie konfrontiert wird, sodass sie irgendwann gar nicht mehr weiß, wie oder was sie entscheiden soll. Unsicherheit, Sorgen, Ängste und damit auch Stress sind daher ihre ständigen Begleiter. Und die blockieren – die Person selbst ebenso wie die Verbindung zum eigenen Pferd.
- Auch wenn sie endlich eine Entscheidung getroffen hat, zweifelt die über-fürsorgliche Pferdefrau häufig, wenn nicht ständig, an dieser Entscheidung in Bezug auf ihr Pferd. Sie hinterfragt, ob sie alles bedacht hat, wankt und schwankt und so manches Mal wirft sie dann doch wieder alles über den Haufen.
- Am allermeisten zweifelt sie an sich selbst. Ihre Selbstzweifel nagen hartnäckig an ihr und so manches Mal denkt sie vielleicht auch darüber nach, die ganze Pferdesache aufzugeben, um ihrem Pferd ein "besseres Leben" zu ermöglichen - obwohl ihr allein der Gedanke daran heiße Tränen in die Augen treibt, weil ihre Liebe zu ihrem Pferd so unendlich groß ist.

Es ist überhaupt keine Schande, eine über-fürsorgliche Pferdefrau zu sein. Im Gegenteil. Ich zähle mich schließlich selbst dazu. ☺ Und ein bisschen Über-Fürsorge ist oft immer noch besser als gar keine Fürsorge. (Ich sehe viele, wirklich viele viele Pferde einfach nur rumstehen, ohne jegliche Ansprache, Unterhaltung und zum Teil sogar ohne jede Bewegung oder medizinische Versorgung - das ist richtig bitter und allein der Anblick schmerzt tief. Auch Pferde wollen gesehen und anerkannt werden! Sie haben das natürliche Bedürfnis nach Kontakt, Bewegung und Berührung.)
Alleine die Erkenntnis – "Ja, ich bin vielleicht hier und da eine über-fürsorgliche Pferdefrau" – reicht oft schon aus, sodass sich das "Über-" ein wenig relativiert. Die Rückbesinnung darauf, was eigentlich MEINE Themen sind und welche wirklich zu meinem Pferd gehören, trägt ihr Übriges dazu bei, dass die Fürsorge wieder einen gemäßigten, angemessenen Rahmen bekommt.
Saskia bin ich sehr dankbar für ihren dezenten Hinweis! Ganz ehrlich: so gut ich auch darin bin, Themen und Probleme bei anderen Mensch-Pferd-Paaren zu finden, zu analysieren, und zu lösen – bei sich selbst und dem eigenen Pferd steht man oft vor ganz anderen Herausforderungen. Auch wenn man selbst Trainer, Coach und / oder Berater ist. Und das darf genau so sein! Wir Menschen können uns gar nicht selbst enttarnen, uns selbst "auf die Schliche kommen". Das ist kaum möglich. Wir brauchen andere, wir brauchen Spiegel, Außenstehende, die uns reflektieren und die uns ein Abbild unseres Selbst zurück projizieren. Jemanden, der uns unsere blinden Stellen wiederspiegelt. Das kann unser Pferd sein, unsere anderen Tiere, aber auch unsere Freunde, Familie, Partner, Kollegen… Oder eben ein Trainer oder Coach.
Wie ich dich unterstützen kann
Wenn du dich in meinen Worten erkannt hast und ertappt fühlst, freu‘ dich über diese Erkenntnis! Solltest du an diesem Punkt alleine nicht weiterkommen oder dir jemanden wünschen, der dich auf dem Weg "da raus" an die Hand nimmt: Unterstützung bei den Menschen- UND den Pferde-Themen, und auch beim Erkennen dabei, was zu wem gehört, leiste ich herzlich gerne.
Nachdem mein erstes Pferd Majana bitterlich krank wurde, weil ich nur noch auf das Außen gehört und mich nicht auf meine Intuition verlassen habe, wurde ich vom Leben mit meinem Araber Sharoom beschenkt, der so wild, instinktiv und intuitiv ist und handelt, dass ich gar nicht anders kann, als ihm und meinem Gefühl zu vertrauen. Alles andere würde gnadenlos in die Hose gehen. ☺ Meine Mission ist es, auch andere (Pferde-)Frauen zu befähigen und zu ermutigen, sich mit ihrem Innersten zu verbinden. Antworten im persönlichen Selbst zu finden und diesem ureigenen Wissen Glauben zu schenken. Zu vertrauen. Sich selbst, dem Tier und dem Leben. Lass‘ dich von mir empowern, wenn du dich in deiner (über-fürsorglichen) Unsicherheit alleine fühlst. Ich helfe dir, DEINEN Weg zu finden. Damit du dich in Zukunft selbst ermächtigen kannst. Schreib' mir einfach eine Nachricht und wir vereinbaren einen Termin vor Ort oder eine Online-Begleitung.
Ich freue mich auch über deine Erfahrung oder deine Meinung zu meinem Beitrag – hinterlasse mir herzlich gerne unten einen Kommentar ♥
Marcelle Bruckhoff (Montag, 30 März 2020 22:23)
Hach Heike. Du bringst da Dinge auf den Punkt... da kann ich manchmal nur staunen. Toll geschrieben! Auch als Nicht Pferdefrau lese ich deine blogbeiträge immer total gerne. �� Liebe Grüße